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ARCHIVO F.X. / Pedro G. Romero
Wirtschaft, Ökonomie, Konjunktur


Ausgehend von assoziativen Bezügen, die Romero zwischen den antiklerikalen Aktivitäten während des spanischen Bürgerkrieges, und den ikonoklastischen Tendenzen der modernen Kunst herstellt, unternimmt das „Archivo F.X.” eine archäologische Rekonstruktion politischer Bildpraxis, indem es Parallelen beleuchtet, wo sonst oft nur Leerstellen oder museale Hermetik zu finden sind. Dabei konfrontiert beispielsweise der „Thesaurus” des Archivs nicht nur das historische Fotodokument einer stark angeschlagenen Heiligenstatue mit dem Dada-Künstler Hugo Ball, sondern skizziert auch Querverbindungen zwischen beiden „Ereignissen”, die den Zusammenhang mit nachhaltigen gesellschaftlichen Erschütterungen vergegenwärtigen.
Die bewegende Frage dahinter, ob dort zum Ausdruck kommende Impulse auch heute noch aktuell sind, wird dabei auf provozierende Art neu gestellt. Dass Dada und das Cabaret Voltaire der Versuch einer ernsthaften Antwort auf die verzweifelte Situation während des Ersten Weltkriegs war, erhält durch den Vergleich mit dem spanischen Freiheitskampf eine erweiterte Bedeutung, und diese Wirkung multipliziert sich, wenn Joseph Beuys’ Aktion „Wandlung” (1982) und deren überdeutliche Parallelen zu einer Aktion spanischer Arbeiter-Milizen herausgestellt werden: beide Male sind es klerikale Metallobjekte (hier eine Replik der Zarenkrone, dort Kirchenglocken), die durch den Prozess der Transformation einer ausbeuterischen Ordnung entzogen werden. Bei der Darstellung der verschiedenen Aspekte wird die institutionelle und mediale Logik, die den Dokumenten Ort und Bedeutung zuweist, keineswegs vernachlässigt: immer zielt das Konzept der Ausstellung auch auf die vielen Umdeutungen und Abschwächungen, denen die historischen Fakten unterliegen. Daher inszeniert Romero auch den zentralen Raum der Ausstellung als Backstage-Bereich, wo sich die Reste und Hintergründe des „Bühnenprogramms” ein Stelldichein geben und wo die Bilder und Theoriefragmente jenseits offizieller Bedeutungsreglements unvermittelt aufeinander treffen. Zwangsläufig treten hier denn auch Aspekte von Gewalt in Erscheinung, zum Beispiel, wenn die Gesten anarchistischer Befreiung propagandistisch verzerrt und für den Triumph faschistischer Systeme funktionalisiert werden, wie es drei gezeigte Filmdokumente wollten.
Es ist diese anti-akademische Umkehrung der Perspektive, die schließlich dazu führt, dass sich die Frage nach den ursprünglichen Motiven, nach dem Zensierten, Ungesagten und unterschwellig Wirksamen umso obsessiver gestaltet. Mediale Standards wie der White Cube, der von hier aus nochmals in seiner Beschränktheit vorgeführt wird, oder die Black Box, als verbreiteter Standard neueren Datums, werden so in einen prekären Kontext historischer Konstellationen von Gewalt und Widerstand versetzt, und nicht nur affirmativ genutzt. Für Alexander Kluge und dessen 9-stündiges Video-Essay über „Das Kapital”, das in der Black Box gezeigt wird, gilt ebenfalls, dass es sich mit den eigenen medialen Voraussetzungen intensiv auseinandersetzt. Die Fragen, zu denen verschiedene Zeitzeugen und Dokumente herangezogen werden, kreisen dort um ein ehrgeiziges Projekt von Sergej Eisenstein, das nie realisiert wurde, und lassen dadurch auch die Grenzen dessen deutlich werden, was in einer historischen Situation jeweils möglich ist, und was Tagtraum bleibt.
Schon die große Heterogenität und das schiere Übermaß der (hier nur ansatzweise erwähnten) Materialien, die in der Ausstellungshalle des Kunstvereins zusammengetragen wurden, lassen keinen Zweifel über die Absicht des Gesamtprojekts aufkommen, einen radikalen Bruch mit einer Kultur keimfreier Bildungsangebote und ihrem vordefinierten Spektrum der Meinungen zu vollziehen. Das Sinn- und Bildmaterial selbst soll sich vielmehr in einer Art Bataillescher Obszönität präsentieren und den herrschenden Kulturbetrieb bloßstellen, oder wie Romero selbst es formuliert: „Nicht die Bronze von Franco ist das Problem, sondern die Bronze.”

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Michael Hauffen

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