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Merkwürdige Maschinen


Die einen feiern die Technik als Glücksversprechen, bei den anderen schlägt sich die Erkenntnis ihrer Risiken und Nebenwirkungen in einer wachsenden Skepsis nieder. Die real-existierenden Maschinen greifen jedenfalls tief in unsere sozialen, kulturellen und psychischen Systeme ein und führen zu paradoxen Situationen. Nicht zuletzt wird auf ästhetischem Terrain um die Zukunft der technischen Umweltbedinungen gekämpft. Künstler können dabei Vorreiter im Sinne von Ideengebern oder Gerätevorführern sein, aber auch verdrängte Wahrheiten einfordern. Wenn sie für letztere Option ebenfalls auf technische Mittel zurückgreifen, macht das die Sache umso spannender.
Die Maschinen, die im Kunstverein Wolfsburg gezeigt werden, versuchen sich auf verschiedenste Art von der Komplizenschaft mit naiver Fortschrittsgläubigkeit zu distanzieren. Bei allen schwingt Spott über die Verheißungen der Technik mit, was aber nicht heißt, dass sie in die Falle der Romantisierung einer ursprünglich gesunden Natur tappen würden.
Der unheimliche und gespenstische Charakter von Maschinen, die wie Menschen erscheinen, und darum die Abgründe der Existenz des Anderen öffnen, wird hier von Chris Cunninghams Music-Clip „Monkey Drummer” repräsentiert. Das computergenerierte mit vier Armen und zwei Beinen trommelnde Wesen ist halb Mensch, halb Maschine, und zusätzlich noch halb Tier, also auf jeden Fall zu viel des Guten oder zu sehr Hybrid, um einfach nur Spaß zu machen.
Ein Cross-Over der witzigen Art vollzieht Beate Engl, wenn sie ihr Motiv der „Blob Machine”einem bekannten Horrorfilm entnimmt, und es als trashige Metapher in den Kunstkontext überträgt: Einem musealen Sockel entquillt an einer Ecke permanent klebriger roter Schaum und zeigt damit deutlich an, dass unter der kontrolliert glatten Oberfläche ein ziemliches Problem lauern dürfte. Auch Engls motorisiertes Modell „Fahnenschwinger” wedelt offenbar nur deshalb so hektisch mit dem Zeichen kollektiven Aufbegehrens, weil es sehr einfach konstruiert ist. Also nur das andere Extrem zu dem Bemühen, alles Bedrohliche mit schönem Design zu kaschieren.
Noch leerer bleibt das Zeichen eines Föngeräusches, das Michael Sailsdorfer wie die Stimme eines Pop-Stars ironisch in Szene setzt. Er klemmt vor den Auslauf des Gerätes ein Mikro und schließt es an einen Verstärker an: der Hörpegel erreicht damit Werte, die die Frage nach dem Sinn der Botschaft erst einmal weit von sich weg bläst.
Ob Bastler oder Ingenieure – die Leidenschaft fürs technische Vehikel pflegt nach immer mehr zu begehren. Alexander Laner sieht im Fall der Audiophonie die Grenzen der Lautstärke bereits erreicht, und wendet sich deshalb dem Antrieb von Plattenspielern zu. Durch den Einsatz eines Sportwagenmotors (6 Zylinder) setzt er hier eindeutig neue Maßstäbe. Auch mit seiner ohne großen Aufwand zum Rodeo-Trainer umfunktionierten Vespa unterstreicht er die Absicht, eine Art Open-Source-Bewegung des technischen Gigantismus zu initiieren.
David Moises Objekte begegnen dem rasenden Stillstand dagegen mit therapeutischer Bescheidenheit. Sein „Geheilter Heimtrainer” vermeidet streng ökologisch die Verschwendung von sportlichen Kalorien, und leitet sie über einen Generator zu einem Motor, der das starre Gestell wenigstens ganz langsam wieder vorwärts bringt. Alternativer Fortbewegung dient auch sein „Steckenpferd”, ein Antriebsaggregat für Skater oder Rollbrettfahrer, das dem Prinzip des Außenbordmotors entlehnt sein dürfte.
Dass Fluchtversuche aus einem System zumeist jäh enden, führen die „Weglauftiere” von Walter Zurborg vor. Leicht modifizierte Alltagsgeräte bewegen sich auf freier Fläche in eingeschaltetem Zustand genau so lange fort, bis sich ihr Stecker aus dem Stromnetz reißt. Immerhin hinterlässt ihr Drang nach Autonomie je nach Konstruktion mehr oder weniger deutliche Spuren. Aber sie müssen noch dazulernen.
Schreddermaschinen lenken ähnlich wie Mülleimer eher weniger Bewunderung auf sich. Ästhetisch interessant sind allenfalls die wolleartigen Fasern, die sie aus ehemaligen Informationsträgern erzeugen. Bei Andreas Zybach tragen solche Fasern gut lesbare Aufforderungen („Bitte 3 Meter Abstand halten”) in endloser Wiederholung, und stellen damit im symbolischen Raum eine Art Befehl ohne Ort, eine Aussage eines negierten Subjekts dar. Das ist jedenfalls nicht mehr komisch und erinnert uns daran, dass Maschinen auch viel mit der massiven Verbreitung des Stumpfsinns zu tun haben.

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Michael Hauffen

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