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Playback – Simulierte Wirklichkeiten


Mit dem Begriff des „Re-Enactment” wird ein vertracktes Phänomen bezeichnet, das sich als versteckter medialer Effekt interpretieren lässt. Reale Personen treten in einer theatralischen Inszenierung von historischen Ereignissen und an historisch vorbelasteten Schauplätzen auf. Aber das Hintergrundwissen, und insbesondere die visuellen Erwartungen, die sich daran knüpfen, entstammen im Wesentlichen der Welt multimedialer Produktionen, was jedoch mehr oder weniger verborgen bleibt. Diese paradoxe Logik thematisieren die in „Playback” versammelten Arbeiten.
AntFarm bieten mit ihrer Arbeit aus den 70er Jahren das früheste Beispiel für eine kritische Video-Reinszenierung eines historischen Ereignisses. Es handelt sich dabei um die Ermordung John F. Kennedys, die als eine Art Urszene der amerikanischen Nachkriegskultur gelten kann. Der entscheidende Punkt dabei ist, dass das Ereignis selbst nur als unscharfer Amateurfilm im Fernsehen zu erleben war. Es sind also vor allem mediale Bilder, die sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben.
Ähnlich liegen die Dinge bei Christoph Drägers Arbeit „Black September”, die das Attentat palästinensischer Terroristen während der Olympiade München 1972 ebenfalls anhand der Fernsehaufzeichnungen rekonstruiert, wobei er diejenigen Szenen nachspielt, zu denen die Kameras keinen Zugang hatten. Das offizielle Fernsehmaterial taucht aber in dem besetzten Appartement wieder auf, wo es bekanntlich für den Ausgang der Geschichte von entscheidender Bedeutung war, da über diesen Umweg die Terroristen auch die Aktivitäten der polizeilichen Einsatzkräfte genauestens beobachten konnten.
Milica Tomic reinszeniert eine Szene aus dem Balkankrieg, wo Gefangene in einen Container gesperrt und dann von außen erschossen wurden. Im Vordergrund steht hier die Suche nach einer angemessenen Form medialer Erinnerung. Die wenigen, aber auf genauer Recherche basierenden Details, wie der Container und die verwendete Munition, mit der er durchlöchert wurde, sowie die Vorführung mit einem simplen Diaprojektor, genügen, um das traurige Faktum zu evozieren.
Eine völlig andere Situation bildet den Hintergrund von Omer Fasts Video „Spielberg’s List”, denn hier kommen Statisten eines hollywoodmäßig produzierten Holocaust-Dramas zu Wort. Diese konnten sich der strukturellen Macht der Filmindustrie genauso wenig entziehen, wie der Wirkung des Simulakrums, das sie mit Leben füllten. Beispielsweise bildet die Selektion der Statisten nach jüdischen und deutschen Typen ungewollt eigene Identitäten aus, die durch das generalstabsmäßig inszenierte Elend und die Brutalität bei der Durchführung der Massenszenen untermauert werden.
In Lynn Hershmans Film „Strange Culture” geht es um den Künstler Steve Kurtz, der unfreiwillig und sehr real in einen Krimi verwickelt wurde. Seine Frau starb über Nacht und als der Arzt kam, wurde er misstrauisch wegen Pseudo-Chemikalien, die dort herumlagen. Plötzlich waren eine Menge FBI-Beamte da und beschuldigten Kurtz des Bio-Terrorismus, was sich in der Folge als massiver Angriff gegen sein künstlerisches Engagement in Sachen Genmanipulation entpuppte.
Die übrigen Arbeiten beziehen sich auf die Kultur des Videospiels, wo historische Szenarien vor allem eine Ressource für Unterhaltung zu bilden scheinen.
Beate Geissler/Oliver Sann demonstrieren das, indem sie eine mittelalterliche Verteidungsanlage exemplarisch für eine Materialsammlung in dieser Richtung ausbeuten.
Susanne Weirich experimentiert umgekehrt mit der Verwendbarkeit der Handlungselemente von Videospielen, indem sie sie in minimalistische Filmsequenzen transferiert und formelhaften Variationen unterwirft.
Felix Stephan Hubers 3D-Simulation „ops room”, ist dagegen ein historisch-kritische Reverenz an jenen Operationsraum, mit dem Präsident Allende seinerzeit Chile regieren wollte. Auf der Basis von computergenerierten Daten, die hier laufend auf Bildschirmen angezeigt wurden, sollten umgehend die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Bekanntlich endete der Versuch tragisch. Die Personen auf den kreisförmig angeordneten Kommandostühlen strahlen denn auch weniger den Geist der Utopie, als die Motorik von Untoten aus.
Eddo Stern wendet sich gleich direkt negativen Szenarien zu. Es hat verschiedene Videogames nach Material durchforstet, das den Kriegsschauplatz Vietnam präsentiert. Als Montage zeigt "Vietnam Romance" eine Fahrt durch düstere virtuelle Landschaften, die zudem von den originalen synthetischen Klängen begleitet werden. Kitsch mischt sich so mit Gewalt, und Folklore mit einem Exotismus à la Hollywood.

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Michael Hauffen

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