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Doug Aitken


Welche Bedeutung könnte Naturdarstellungen in einer Kultur zukommen, die von der Vorstellung ihrer technologischen Ersetz- / Beherrschbarkeit trotz kritischer Erfahrungen kaum noch abrücken kann? In Doug Aitkens Foto- und Videoarbeiten scheint sich diese Frage in der Spannung zwischen avanciertester Aufnahmetechnik und übermächtiger Natur abzubilden.

Seine Videotrilogie Eraser (1998) bezieht ihren visuellen Rohstoff von der westindischen Insel Montserrat, die infolge eines nur wenige Jahre zurückliegenden Vulkanausbruchs von der Zivilisation plötzlich verlassen wurde. Formal nähert Aitken sich dieser Landschaft konzeptualistisch an, indem er dort eine Linie von acht Meilen zieht, und je einen Teil seiner Trilogie einem festgelegten Abschnitt dieser Strecke widmet. Die daraus resultierenden Sequenzen, die jeweils in wandfüllender Mehrfachprojektion Teile des heterogenen Aufnahmematerials zusammenführen, stehen zu solcher Art von Rationalität allerdings in einem denkbar starken Kontrast. Neben Ansichten von Straßen, Gebäuden und Räumen, die anhand verschiedener Details als Relikte einer vertrauten Alltäglichkeit erscheinen, und die darum in ihrer Verlassenheit und mit ihrer dicken Staubschicht umso traumatischer wirken, treten Aufnahmen von zerklüfteten Lavalandschaften und nebelhaften, bisweilen bizarren Felsformationen, denen zudem durch ungewöhnliche Kamerabewegungen die Grundlage verlässlicher Realität entzogen wird. Die digitale Nachbearbeitung, vor allem auch der Tonspuren, tut ihr Übriges, um den unvermittelten Eindruck einer Art von düsterer Science-Fiction zu erzeugen. Allerdings knüpfen die Bilder, gerade wegen der digitalen Effekte auch an die Ästhetik von Videoclips an, wo die Magie irrealer Welten, die Erfahrung erhabener Natur und ihre Intensität ganz unverhohlen mit narzistischer Entgrenzung via Technikfetischismus verbunden zu sein pflegt. Im Popkulturbereich ist diese Logik jedoch mehr oder weniger immer durch Hybridsierung disparater Arten von Medien und Codes gebrochen. Hier im streng musealen Kontext fehlt diese Möglichkeit einer Distanzierung von der audiovisuellen Fiktion, in der technologischer Zugriff und Naturgewalt zu einer unauflösliche Einheit konvergieren, die dem Betrachter ihre monumentale Sichtweise aufzwingt.
Analoges gilt für die beiden Fotoarbeiten und das Video I’m in you (2000). Hier wird die Hauptfigur, ein kleines Mädchen, als Bestandteil einer Art poetischer Traumsequenz inszeniert, in der sich die Grenzen von Subjekt und Objekt ebenso auflösen wie jegliche Identität. Übrig bleibt der intensive Eindruck von obskuren Vorgängen, die in ihrer technischen Perfektion nur ein Geniessen des Unheimlichen in einsamer Faszination zulassen.

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Michael Hauffen

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