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Florian Süssmayr – Bilder für deutsche Museen


Seine Landschaften würden vielleicht nur als ambitionierte Sonntagsmalerei durchgehen, stünde nicht daneben dieser von einem – allerdings gezähmten – Punk inspirierte Gestus, das Schlechte dieser Welt in lustvoller Wiederholung unablässig hervorzukehren. Vielleicht stellen aber sogar seine serienmäßig von Fotos abgemalten Klosprüche und Wirtshauszettel einen unrettbaren Anachronismus dar, und wirken höchstens in Zeiten genormter Medienkunstformate befreiend. Nun wurde aber Florian Süssmayr in einer fast beispiellosen konzertierten Aktion von Münchner Medien und Institutionen als neuer Star gefeiert. Angefangen hat es mit einem umfangreich bebilderten Feature im SZ-Magazin, das den Mythos des unbekannten Außenseiters, dessen bisher verkannte Qualität nun plötzlich von einflussreichen Kreisen erkannt wurde, perfekt ausformulierte. Darauf folgte in kurzer Zeit die hier besprochene Einzelausstellung im Haus der Kunst, eine weitere in einer anspruchsvollen Münchner Galerie, sowie verschiedene Ausstellungsbeteiligungen und Ankäufe. All dies wurde zudem von einer nicht enden wollenden Serie von Artikeln der Lokalpresse verbreitet und en Detail kommentiert.
Hat man es bei der Begeisterung, die angesichts des Malers Florian Süssmayr derzeit in München aufflammt, also mit einem regressiven Phänomen zu tun, das die Dynamik der Moden und Konventionen bekanntlich regelmäßig begleitet. Oder kann man unterstellen, dass angesichts der Produktion eines Künstlers, der sich abseits von akademischer Dressur und elitärem Kunstsystem eine eigene Ausdrucksweise erarbeitet hat, der blinde Fleck aktueller Strömungen tangiert wird? Die Avantgarde hat sich ja schon immer mit einer naiven Kunst gepaart und verflochten, und auch die Visionen des Zöllners Rousseau waren zwar simplifizierend, aber eben mehr als die bloße Wiedergabe von Klischees.
Bei Süssmayr trifft man allerdings weniger auf eine proletarische Bildsprache, außer es gäbe inzwischen so etwas wie ein intellektuelles Proletariat. Seine Malweise erinnert vor allem in den Landschaften, den Wirtshausstilleben und in einem Portrait von Ludwig Wittgenstein an diejenige einer breiten Großvätergeneration, insofern sie die Avantgarde ignorierte. Ein Teil der (gemalten) Klosprüche fällt dabei allerdings heraus: hier handelt es sich um Hinterglasbilder, deren Grapheme in die nachtschwarze Farbe nur flüchtig eingeritzt erscheinen. Und nur hier kommt auch ein Stück weit die als Zwischenmedium eingesetzte Fotografie zur Geltung – wenn sich nämlich in der schwarzen Fläche zusätzlich das verwendete Blitzlicht als greller weißer Schein abzeichnet. Nur hier könnte man dann auch von Punkästhetik sprechen.
Eine weitere Kategorie stellen noch die großformatigen Biertischgravuren dar, die nur mit schwarzer oder dunkelbrauner Farbe direkt auf Leinen gemalt sind, und dabei Holzoberflächen mit ihrer Maserung in der Weise abbilden, dass die Einschnitte, also Riefen, Buchstaben und Zeichen durch leergelassene Leinwandpartien wiedergegeben werden. So wie diese Arbeiten Assoziationen zum Informel wachrufen, lassen jene an verschiedene expressive oder sogar entfernt an konzeptuelle Kunstformen denken. Dennoch drängt sich weder der Eindruck von Eklektizismus noch von postmoderner Zitatkultur auf.
Bestimmend ist vielmehr der melancholisch-nihilistische Schleier, der über allen Sujets legt, und der auch die Zurückweisung von Ansprüchen einer modernistisch auftretenden Avantgarde erklären würde. Das nach Form und Inhalt münchnerisch Provinzielle scheint vielmehr gegen die vorzugsweise glatte und perfekte Ästhetik der Film- und Verwaltungsmetropole gerichtet zu sein. Die Biertische und ihre Details, inklusive Toiletten, sind auch keine von Außen beobachteten Objekte ästhetischer Suche nach dem Typischen oder dem Anrüchigen, sondern trister Schauplatz einer mehr oder weniger gelungenen Flucht vor der normalen Vereinnahmung. Gelegentliche Exkurse zu anderen Schauplätzen wie das Portrait eines Punk-Musikers in Aktion, Bilder von kleineren Aufständen, oder die Erinnerung an eine Inhaftierung infolge solcher Umtriebe (unentzifferbare Wandkritzeleien mit Bildtitel: Ettstraße, der Adresse des Münchner Polizeipräsidiums), geben dieser Anti-Identität zwar eine heroische Note, zerstreuen aber auch jede Hoffnung auf bessere Zeiten.
Der Blick in die Gesellschaft von unten und die Verweigerung gegenüber den Werten und Normen eines elitären Kunstsystems bildet aus dieser Perspektive eine Einheit, und nimmt eine soziale Position ernst, deren Attraktivität hier wie dort begrenzt bleibt. Die Logik der herrschenden Strukturen macht einen Optimismus zur Bedingung von Erfolg, der sich zwar auch in der Negation der Verhältnisse geltend machen kann, aber nur dann, wenn er sich der Macht des multimedialen Spektakels rückhaltlos unterwirft.
Im Fall von Süssmayr, der den ihm zugedachten regional-medialen Hype bisher nur passiv über sich ergehen ließ, haben sich die Verhältnisse jetzt einmal beinahe umgekehrt. Eine Art von low culture wird plötzlich attraktiv und droht sogar, das konventionelle, am Fortschrittsoptimismus orientierte Debüt anderer junger Künstler in den Schatten zu stellen. Ein Trost für sich deklassiert fühlende Ex-Punks und andere Opfer einer gesellschaftlichen Entwicklung, deren ungemütliche Folgen für die meisten eher noch zunehmen dürften. Aber vielleicht nur eine kurze Unterbrechung im Ablauf des Kunstgeschehens, dessen souveräner Status ohnehin immer zweifelhafter wird.

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Michael Hauffen

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