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Wiederholung REVISITED


Wie Boris Groys zuletzt argumentiert hat, stellt das Kriterium der Neuheit womöglich die optimale Methode dar, den Überfluss der heute laufend produzierten Kunstwerke selektiv zu begrenzen. Bedeutet das, dass Werte wie Authentizität, Sensibilität, Virtuosität oder Intensität nicht mehr gelten, weil sie so alltäglich geworden sind, dass sich kein Verlangen mehr darauf richtet? Oder sind nicht etwa nur die Zeichen, die für diese Ausnahme-Werte stehen, in Folge ihrer vielfachen Wiederholungen zu Zeichen von Durchschnittlichkeit mutiert, so dass die vielen Manifestationen von künstlerischem Eifer, denen wir heute permanent begegnen, nur noch etwas vortäuschen, das eigentlich erst wieder auf eine neue Art erfahren und begriffen werden müsste?
Einmal angenommen, letztere Vermutung träfe zu, dann wäre allerdings auch der Wert der Neuheit in Gefahr, von der Logik der Konvention eingeholt und entwertet zu werden. Vor allem wäre dann aber jeder Art von Neuheit zu misstrauen, die lauthals als solche angepriesen wird.
Auf diesen neuralgischen Punkt lenkt Markus Maria Ebner die Aufmerksamkeit, wenn er sich dem herrschenden Diktum, etwas Neues zu erfinden, radikal verweigert, und sich darauf beschränkt, die Gemälde seines ehemaligen Lehrers Günther Fruhtrunk schlechterdings zu kopieren.
Er setzt keine neuen Bilder in die Welt, und bietet den Beobachtern seiner Werke nichts anderes an, als das Erlebnis, das sie angesichts der Bilder seines Vorbildes schon einmal gehabt haben könnten, zu wiederholen.
Das Wort Wiederholung muss hier allerdings genauer betrachtet werden. Bezeichnet es doch einmal einen als mechanisch aufgefassten Vorgang, der die eigentliche Leistung von Erfahrung überspringt, und das andere Mal das erneute Erleben eines gelungenen Moments. Beispiele der ersten Art von Wiederholung, also etwa die bloße Wiedergabe eines Meisterwerks in einer Werbeanzeige oder die bloße Wiederholung abgedroschener Klischees haben zu der Meinung geführt, dass sich Wiederholung und Intensität prinzipiell ausschließen würden. Gegen diese Auffassung können aber verschiedene Phänomene, vor allem aus der populären Kultur angeführt werden, in denen Wiederholung und intensives Genießen sehr wohl zusammentreffen.
In dieser Frage ist sicherlich noch nichts entschieden, nicht zuletzt wegen der Tatsache, dass in Sozialtheorien die Bedeutung von Ritualen, Spielen und Rhythmen in der Kommunikation gerade erst (wieder) erkannt wurde.
Umso interessanter ist es, wie Markus Maria Ebner das Prinzip der Wiederholung in die Malerei einführt. Für ihn ist schon allein die erfolgreiche Herstellung von Werken, die er seit den Zeiten seines Studiums an der Kunstakademie bewundert hat, sicherlich ein Genuß. Aber dazu kommt noch der gelungene Coup, der darin besteht, den formellen Zwang zur Originalität zu unterlaufen, indem das originelle Objekt verweigert, aber ein neues Konzept im Umgang mit diesem Zwang angeboten wird. Denn Ebner ist sicherlich kein Bildfälscher oder bloß handwerklich operierender Kopist: für ihn bedeutet das Kopieren vielmehr darüber hinaus das Einnehmen einer Position angesichts einer Situation, in der zuviel Energie auf die Produktion von Neuheiten, und zuwenig auf die komplexe Wahrnehmung ihrer Qualitäten verwendet wird.
Mit Güther Fruhtrunk hat sich Ebner für sein Konzept denn auch einen Künstler ausgewählt, der bisher nur sehr oberflächlich rezipiert wurde, und dessen wiederholte Betrachtung sich lohnen kann. Dabei muss dieser Rekurs auf eine Position der deutschen Nachkriegsmalerei auch nicht sentimental oder nostalgisch sein, handelt es sich doch bei Fruhtrunks Werk um Problemstellungen, die nicht ausgeschöpft sind, und nach wie vor Aktualität besitzen.
Wenn sich Themen und Formen historisch wiederholen, wenn sie im Rahmen von Moden und Trends wiederholt aufgegriffen werden, ist allerdings noch ein anderes Moment zu berücksichtigen. Wo eine Formen- und Zeichensprache, also ein System von Bedeutungselementen aus einer vergangenen Periode übernommen und in einen anderen historischen Kontext eingeführt wird, kann zwar die als „Werk” artikulierte Semantik weitgehend identisch sein. Aber durch den unterschiedlichen Kontext, und vor allem durch den Paratext, also das was als Information zu den Werken, zu ihren Urhebern und deren Erfahrungsraum eher nebenbei und zusätzlich als Information kursiert, werden deren Aussagewerte, sozusagen hinter ihrem Rücken für die Betrachter abgewandelt. Im Fall des Paares Ebner – Fruhtrunk können in diesem Bezug allerdings extreme Unterschiede konstatiert werden. Während Fruhtrunk seine aggressiv klare Bildsprache ganz im Geiste der Frankfurter Schule als Manifestationen einer Kritik an autoritären und korrupten gesellschaftlichen Strukturen verstanden wissen wollte, und dies in Vorträgen. Briefen und Texten mit einer Radikalität vorgebracht hat, die Seinesgleichen sucht, nimmt Ebner die klaren und strengen Formen vor allem aus der Perspektive eines Ästheten wahr, dem das wilde Spektakel immer neuer kurzlebiger Stile als Terror erscheint, und der sich davon deutlich und kompromisslos distanzieren will.
Wenn man also das Konzept von Markus Maria Ebner auf diese Ebene der Voraussetzungen für die Erfahrung von Kunstwerken bezieht, dann ist es allerdings innovativ im besten Sinne, lenkt es doch den Blick auf Strukturen, die sonst weitgehend unbemerkt ihre (Neben-)Wirkungen entfalten.
In der Summe ergeben sich denn auch gleich drei Paradoxien, die Ebners Werk zugesprochen werden können:
1. Nichts Neues zeigen und doch überraschen.
2. Das Gleiche zeigen und doch etwas anderes zeigen.
3. Ein Werk vorweisen und dabei den Blick von ihm weg auf seine konstitutiven Voraussetzungen lenken.
In diesem Sinne ist auch Ebner als Subjekt seiner Kunst nicht dingfest zu machen, er entzieht sich sowohl einer eindeutigen Autorschaft, wie einer identifizierbaren Person. Obwohl seine weiteren Werke im Rahmen dieses Konzepts also schon jetzt ziemlich genau determiniert sein mögen, ist für die Bedeutung, die sie annehmen und die Erfahrungen, die sie ermöglichen, noch alles offen.

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Michael Hauffen

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