Text

Philippe Parreno - Fade Away


Seine Aktionen erinnern an das, was wir täglich unter "Vermischtes" in den Zeitungen zu lesen bekommen: ephemere Ereignisse, die durch ihre Mischung aus Absonderlichkeit und Belanglosigkeit auffallen, oder mehr oder weniger absichtlich inszeniert werden, um die mediale Aufmerksamkeit zu zerstreuen. Philippe Parreno schließt an diesen Standard globaler Marginalien im Stil medialen Dandytums an. Wenn er etwa auf die weltweit erste „product-undoing”-Fabrik durch die Kreation einer Lampe aus deren Zerlegungs-Resten aufmerksam macht oder eine Rundfunksendung konzipiert, die anderthalb Stunden lang in Musik transformierte Signale eines Radioteleskops ausstrahlt – dann kann man behaupten, dass seine Events mit dem einschlägigen Angebot der Medien konkurrieren und zugleich dessen Tendenz zur Belanglosigkeit übertreiben.
Bei einer Reihe anderer Events kommt allerdings nur der exklusive Kreis des Kunstpublikums als Adressat in Frage: Parreno trifft sich mit Rirkrit Tiravanija um mit ihm und zwei Bauchrednerpuppen einen Rollentausch zu proben; Tiravanija stellt für Parreno ein Sci-Fi Kunstwerk her; Parreno bittet Liam Gillick eine Serie Werbebanner für einen Film zu entwerfen, die er zwar nicht verwendet, aber entlang einer Autobahn installiert; Parreno empfängt per Fax einen zehnzeiligen Bericht von Pierre Huyghe; Thema: Winter 1996.
Solche und ähnliche Vorgänge sind in einschlägigen Kunstzeitschriften unter „Personalien” oder als „vermischte Nachrichten” bereits ebenso etabliert wie Berichte aus dem Alltag von Stars und Hochadel in den Illustrierten, und Parreno scheint seinen Zugang zu dieser Art von medialer Manifestation selbst und ohne Umwege in die Hand nehmen zu wollen.
Sein medialer Rahmen ist allerdings der des Ausstellungsraumes. Im Münchner Kunstverein präsentiert er die Dokumente seiner Aktivitäten in Form einer beinahe spektakulären Installation: der Raum hat zwei Zustände, die sich im Abstand von ca. drei Minuten abwechseln. Zustand A: Helles Licht, weiße Wände, auf denen weiße Papierrechtecke hängen. Zustand B: Dunkelheit, die Rechtecke erweisen sich jetzt als Fotodokumente jener Aktionen, die in phosphoreszierendem Gelbgrün das Licht wieder abstrahlen, das sie zuvor absorbiert haben.
Während einem also in Zustand A die museale Situation in aggressiver Nacktheit gegenübertritt, bieten sich Parrenos vermischte Aktivitäten im intimen Dunkel einer Art von LowTech-Panoptikum dar, wo sie neben der abgeschwächten Leuchtkraft eine weitere Brechung durch die nonchalente Unklarheit der Dokumente erfahren. Die Aktion im Vergnügungspark „Space World” (Japan), wo Parreno während der täglichen Parade der kostümierten Figuren Flugblätter verteilen und die Theorie des zeitlosen Universums pantomimisch darstellen ließ, wird etwa durch ein Poster dokumentiert, das von den offiziellen Werbeplakaten kaum zu unterscheiden ist – den Rest erledigt der schwache Phosphorschein. Erst die Erläuterungen, die als Fotokopien bereitliegen, erschließen die Bedeutung der Dokumente, aber auch sie sind äußerst knapp gehalten, und bilden damit zur in den Medien üblichen Perfektion einen deutlichen Kontrast. Vielleicht könnte man daher sagen, dass sich in Parrenos Stil die Utopie vom erfüllten Alltag in die Dunkelheit antihysterischer Andeutungen zurückgezogen hat, während sie im Hochglanz der offiziellen Medien und Institutionen einschüchtert, wenn nicht sogar terrorisiert.
So gesehen hätte Parreno einen Weg gezeigt, wie die Rubrik „Vermischtes” nicht nur zur Disziplinierung betragen muss, sondern eine Form von Kommunikation darstellt, deren implizites Versprechen darin besteht, neben dem Allgemeinen auch das Singuläre zu seinem Recht kommen zu lassen. Weiterphantasiert müsste das schließlich die Adressaten dazu verleiten, aus der Rolle der passiven Zuschauer auszubrechen.

Newsletter

Michael Hauffen

derzeit noch nicht aktiv, bitte versuchen Sie es später wieder