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Import Export


Im Zusammenhang mit der Anerkennung einer Vielzahl von Kulturen, in deren Rahmen sich universale Sichtweisen zu mehr oder weniger praktikablen Vorurteilen relativieren, spielt die Frage nach der Möglichkeit von Austausch eine fundamentale Rolle. Das Begriffspaar Import/Export markiert dabei einen Modus der Beobachtung, mit dem zwar ein wechselseitiger Transfer erfasst, gleichzeitig aber einem vorab definierten System – insbesondere einer existierenden Nationalökonomie – untergeordnet wird.
Die globale Weltgesellschaft setzt demgegenüber wesentlich komplexere Formen von Dynamik frei, für die allerdings allgemein gültige Modelle und Begriffe fehlen – ja vielleicht sogar immer nur temporäre Bedeutung haben können. Der Kunstkontext bietet gute Voraussetzungen für den Umgang mit daraus resultierenden Paradoxien, weil in ihm Probleme der Kontrollierbarkeit dessen, was Medien, Zeichen und Produkte jenseits normaler Oberflächen transportieren, immer schon interessant waren.
Von der Umcodierung, die den einst utopischen Modernismus zum heutigen Konsumklischee verwandelt hat, lässt sich dabei Fransje Killars leiten. Ihre überdimensionale Hollywood-Schaukel, kann als ein kritischer Kommentar zum Mondrian-Kult gelesen werden. Die Vielfalt der patchworkartig verteilten bunten Stoffe und Kissen greift zwar die Euphorie ungebrochener Farbigkeit auf, unterläuft aber den Gestus individualistischer Radikalität. Dadurch können die verwendeten Materialien und Farben verschiedenste Assoziationsebenen freisetzen, die von den Produktions-bedingungen der Stoffindustrie bis zur Frage nach dem Symbolwert von Buntheit in verschiedenen zeitlichen sozialen Kontexten reichen.
Mit der Bedeutung von Farben im Transfer der Kulturen beschäftigt sich auch Roy Villevoie, der sich durch wiederholte Besuche in Indien und Neu Guinea mit dortigen BewohnerInnen angefreundet hat. Als Symbol für das Medium, über das er seine Eindrücke verarbeitet, verwendet er eine Flagge, die die Farbbestandteile der Druckskala aufweist. Man kann von einem internationalen Farbstandard sprechen, der nun aus einem wandfüllenden Fotoausdruck in Form eines bunten Rechtecks herausleuchtet, auf dem die ansonsten bloße Erde gewohnten Freunde des Künstlers stehen. Als Kombination einer Analyse globaler Bildmedien mit so etwas wie Kommunikation mit den Beinen, entfaltet dieses Modell einer Anbahnung transkultureller Beziehungen nicht nur ironische Qualitäten.
Dass neue Kulturen infolge von Migrationsbewegungen entstehen, ohne besonders bemerkt zu werden, führt Jun Yang anhand autobiografischer Dokumente vor. Als Sohn einer chinesischen Familie, die nach Mitteleuropa ausgewandert ist, und die mangels Alternativen gezwungen war, ein Chinarestaurant zu führen, hat sich ihm die Welt durch die Optik einer kulturellen Konstruktion gezeigt, in der das wirkliche China hinter der Norm eines Konsumprodukts und seines Mythos verschwindet. Dekorationselemente aus dem Lokal seiner Eltern ergänzen den Bericht über die Hintergründe eines Alltags, der überwiegend von branchenspezifischen Zwängen geprägt ist.
Michaela Melián hebt die Tatsache ins Bewusstsein, dass es vor allem der Export von Waffen ist, der einen offenen Austausch verhindert. Die eindeutigen Gegenstände, nämlich ein Maschinengewehr und ein Kampfpanzer (Leopard II), weisen durch die Form ihrer Präsentation – einmal als überdimensionales Sitzkissen, das andere Mal als zierliche Miniatur mit Seidenüberzug – wiederum eindeutig auf die Beschönigungsfunktion repräsentativer Kunstinszenierungen hin. Letztere versucht Rainer Ganahl ganz auszuschalten, indem er den Raum, den er im Kunstkontext einnimmt, ausschließlich für kritische Leseseminare nutzt, in denen er sich seit der Regierungsbeteiligung der FPÖ auf die Problematik der Auseinandersetzung mit rassistischen Ideologien in ihrer heutigen Form konzentriert. Claude Lévêque stellt in analoger kritischer Intention eine Parallele zwischen Auschwitz und Disneyland her, indem er die jeweiligen Symbole dieser Un-Orte nebeneinander präsentiert.
Dass die Reflexion kulturellen Austausches über die Begriffe Import und Export verschiedenste Ebenen einschließt, darauf lenkt das Kunstsystem fast notwendig den Blick. Spannender wird es, wo die Vieldeutigkeit selbst thematisch wird. Es mag ja sein, dass wir – worauf Philippe Durand mit der schlichten Fotografie eines Hauses mit Satelittenschüssel überaus plakativ hinweist – im Besitz von Werkzeugen sind, die eine Kommunikation über nationalstaatliche Grenzen hinweg ermöglichen. Aber dennoch definieren wir uns permanent über Differenzen und sind unsere Auffassungen a priori nicht kompatibel mit den Auffassungen anderer „Regionen”. So kommt es, dass nie genau das exportiert oder importiert wird, was beabsichtigt war, und dass ungewiss bleibt, was von den losgeschickten Dingen und Zeichen auch wirklich ankommt bzw. wirklich – und von wo? – losgeschickt wurde. Insofern gibt die Ausstellung ein Stichwort, das nicht so bald erledigt sein dürfte.

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Michael Hauffen

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