Text

rosebud
Jenny Holzer, Matt Mullican, Lawrence Weiner


Unser Verhältnis zur Welt kann im Raum der Kunst nur über symbolische Strukturen reflektiert werden. Der Sprache wird dabei in der Diskussion der letzten Zeit oft ein zentraler Stellenwert zugeschrieben. Beispielsweise taucht die Frage auf, ob die Sprache uns bestimmt, oder wir sie. Wenn sich nun eine auf diese Thematik bezogene Ausstellung mit dem Rätselwort "rosebud" aus dem Film "Citizen Kane" präsentiert, so läßt sich das als Ausdruck des Verdachts interpretieren, die einschlägigen Theorien gingen am eigentlichen Problem vorbei. Die Lösung ist noch nicht in Sicht, aber wir stoßen auf drei KünstlerInnen, die die durchschnittlich selbstsicheren Auffassungen überraschend präzise unterminieren.
Lawrence Weiner hat schon in den 60ern begonnen als Material seiner Werke nur noch Sätze zu verwenden, die in lyrischer Verknappung zumeist Konzepte für Arrangements von irgendwelchen "wirklichen" Materialien darstellen. Die konkrete Form der Präsentation dieser Wortgebilde als Schrift – vom ursprünglichen Typoskript bis zu riesigen, aufwendig realisierten Beschriftungen im öffentlichen Raum oder in Galerien – spielt dabei zwar die Rolle einer weiteren Anreicherung des möglichen Sinns, soll diesen aber nicht festlegen, sondern seine eigentliche Vieldeutigkeit ermessen lassen. Hoch oben an den überdimensionalen Wänden angebrachte, schwarze Schriftzüge dieser Art können hier dementsprechend riesige Materialkunstwerke imaginieren lassen, während kleinformatige, handgedruckte Poster an den Betonpfeilern an Versuche ökonomisch Benachteiligter erinnern, die sich von ihrer relativen Ohnmacht nicht hindern lassen, Aufmerksamkeit zu suchen. Die ungleiche Verteilung der Mittel für den Zugang zur Öffentlichkeit wird so zwar in Betracht gezogen, aber das eigentliche Werk distanziert sich davon als "reiner Text" und schließt an die Vorstellung an, daß die Sprache als allgemeiner Schatz über die Ungleichheiten hinweg demokratisches Bewußtsein verbürgen könne.
Im Kontrast dazu forciert Jenny Holzer eine Funktion von Wörtern als Machtmitteln. Früh gehörte und dann methodisch optimierte, verinnerlichte Grundsätze und Verhaltensregeln, bis hin zu Maximen und Aphorismen, unterstützen die alltägliche Normierung und Normalisierung. Die Sprache erscheint als intime Kontrollinstanz, die den Körper diszipliniert und sein Gewalt- und Widerstandspotential kanalisiert. In der Regel wird dies gar nicht bewußt. Die jeweils nur einen Buchstaben zeigenden LED-Displays, die hier omnipräsent eine Unmenge solcher Sätze in den Raum werfen, betonen noch mehr als andere Installationen Holzers die unheimlich-untergründige Wirksamkeit dieses Sprachgeschehens; der aufklärerisch-heroische Aspekt der Veröffentlichung beunruhigender Sachverhalte verliert dadurch das spektakuläre Moment. Die Sprache wird eindringlich als Faktor von Entfremdung erfahrbar.
Bei Matt Mullican geht es um Piktogramme und den ihnen inhärenten Zug zu starker Vereinfachung und Universalisierung. Seine individualistische Systematik ist geprägt von einer ironisierenden Überaffirmation und läßt sich als Versuch sehen, die starre Opposition zwischen der guten Kunst und der schlechten Wirklichkeit zu überwinden. Die gezeigten Arbeiten aus Glas sind ein demonstrativ apathisches Spiel mit möglichen Modellen einer globalen Weltordnung, die je nach Stimmung ganz verschieden aussehen können. Kugeln als in sich geschlossene Gefäße verweisen auf die Idee der Ganzheit, treten sie aber in so großer Zahl auf, wird wieder alles unsicher. Der Wert der Objekte korrespondiert mit dem Aufwand, der nötig ist, ihre Unversehrtheit zu erhalten, und die Schönheit der Transparenz verbirgt den heimlichen Gedanken ans Zerschmettern. Den Willen zur Desintegration führt Mullican auch mit seinen Videomitschnitten vor: unter Hypnose löst sich der Künstler als Meister eines Werks genauso auf, wie ein ebenfalls gezeigtes Baby, das eine Ich-Instanz noch gar nicht ausgebildet hat, während das per Computer simulierte Gleiten durch eine vom Künstler entworfene Stadt, ihn wahrscheinlich vor allem deshalb fasziniert, weil er sie wieder löschen kann.

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Michael Hauffen

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