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Ernsthaft!? Yours ridiculously!?
Albernheit und Enthusiasmus in der Kunst


Während sich Humor zumeist darin erschöpft, Abweichungen von der Norm zu verspotten, können Komödien oder auch Witze auf sehr viel abgründigere Art widersprüchliche Verhältnisse reflektieren. Im breiten Spektrum des Komischen positioniert sich nun eine umfangreiche Sammlung von Arbeiten, indem sie ihren Fokus auf Formen »enthusiastischer Peinlichkeit« als einer erklärten Unterart von Albernheit richtet.
Wenn »Enthusiasmus« dabei die subjektive Voraussetzung benennt und »Peinlichkeit« das (negative) Objekt, dann wird schon deutlich, dass es um Ambivalenzen geht, die quer zu Personen und sozialen Rollen liegen. Da portraitiert sich etwa Maria Lassnig lustvoll als Almkuh, gestattet sich also diese Peinlichkeit, und überlässt es souverän dem Publikum, schockiert zu sein oder sich mit dieser albernen Abweichung zu identifizieren. Analog bedenkt Martin Gostner Pferdeäpfel mit skulpturaler Weihe und kalkuliert Missbehagen ein. Vielleicht ist es wie bei Freuds Theorie vom Witz, dass immer drei verteilte Rollen involviert sind; es geht um ein Feld von Relationen, um eine Matrix von Lust und Unlust.
In der Kunst kommt dem Lachen über hohle Erhabenheit und andere Maskeraden keine geringe Bedeutung zu. Beginnend mit Alfred Jarry’s Roi Ubu führt eine dichte Folge über Dada zu den Surrealisten und in verschiedene Strömungen – mit anhaltender Aktualität. Zu deren Brisanz tragen moderne Anforderungen bei, der steigende Druck, auf dem die herrschende Ordnung mit ihren zuweilen absurden Blüten basiert, kontrolliert von effektiver Rationalität und befeuert vom konsumistischen Imperativ mit seinen Diskretionsidealen. Allerdings ist damit noch nicht gesagt, dass das Lachen der Zuspitzung gesellschaftlicher Widersprüche entgegenarbeitet. Spaßkultur ist ja immer auch ein tragender Pfeiler der Verhältnisse, nicht zuletzt wegen ihrer kompensatorischen und kreativitätssteigernden Wirkungen.
Die entscheidende Frage ist daher, welche Konflikte und auf wessen Kosten sie auf komische Weise dargestellt werden. Und da im Kontext der Kunst eher subtile und komplexe Formen der Auseinandersetzung mit Zeichen und Emotionen die Regel sind, wäre eine Tiefenanalyse der einzelnen Werke notwendig, um jeweils zu klären, inwieweit es sich nur um einen Teil des unendlichen Spaßbetriebs handelt, um zynisches Ressentiment oder um wirkliche Subversion.
Mit Kulissen und Requisiten, die an Geisterbahnen erinnern, reinterpretiert Pauline Curnier Jardin etwa Bilder von Weiblichkeit, indem sie vorführt, wie das Bedrohliche als spektakulärer Spaßfaktor populär werden kann. Oder wenn Jos de Gruyter & Harald Thys die alltägliche Angst vor drohender Prekarisierung Gestalt annehmen lassen, indem sie mögliche Varianten von Drop-outs als groteske Serie schauriger Puppen präsentieren.
Kaum überraschend steht bei der überwiegenden Mehrzahl der Exponate der Sex im Fokus. Er dürfte an Gelegenheiten für Peinlichkeit sowenig zu überbieten sein, wie als Quelle für Enthusiasmus. Bei Jakob Lena Knebl haben Walburgas Köpfe die Form von Wurstzipfeln, Shana Moultons Porzellanobjekte muten wie glitschige Dildos an. Und dann finden sich noch zahlreiche Darstellungen mit Tieren, die sich entweder als sexuelle Wesen outen, oder für die Macht der Partialtriebe stehen.
Der Bruch mit dem Tabu wird historisch schon mit einer Zeichnung von Rembrandt belegt: einem pissenden Mann. Heute scheint das selbstverständlich: Pissbilder oder provokativ eingesetzte Fäkalien, schließlich unverhohlen ins Sichtfeld gerückte Geschlechtsorgane, wen schockiert das noch? Dennoch berührt es einen wunden Punkt, der sich durch Aufklärung und Gewöhnung an Pornografie nicht wirklich entschärfen lässt. Und vielleicht besteht der Unterschied zwischen purer Obszönität und ästhetischem Tabubruch im Erfinden von Formen, die die krasse Bloßstellung vermeiden und stattdessen ein subtiles Spiel mit Ambivalenzen treiben. Wong Ping zeigt in der Comic-Animation Witch (2015) eine Hexe, die mit entblößten Brüsten auf einem großen Penis »reitet«. Sie bringt damit feministischen Widerstand auf lustige Art zur Geltung: die Aneignung des sakrosankten Symbols erscheint so unproblematisch wie die Unverletzbarkeit von Comicfiguren selbstverständlich.
Judith Bernstein wird in Bezug auf eine andere Front allerdings maximal explizit, wenn sie neben die mit den Fingern gemalte Form eines Atompilzes, in dem sich eine vagina dentata abzeichnet, groß die Worte »Trump Horror« schreibt und an der Wurzel einen vor Schreck geschrumpften Penis einfügt.
Da es den Künstler*innen darum geht, in punkto Peinlichkeit ins Schwarze zu treffen, stehen die Sexualorgane ganz oben auf der Liste. Aber auch die infantile Suche nach polymorph-perverser Lust kennt ihre Dilemmata. Da gerät schon mal die Ordnung ins Wanken, wenn der unerfüllte Wunsch nach Befriedigung in obsessive Selbstauflösung umschlägt; Shana Moulton genügt dafür ein Dampfsaunazelt mit Videoequipment. Hier sind sich jedenfalls alle darin einig, dass die Flucht ins Erhabene keine Option darstellt, insofern sie die Angst vor der Unzuverlässigkeit des Organs der Zeugung nur verleugnet. Welche fatalen Folgen solche Abwehr haben kann, sehen wir ja um uns her zur Genüge.
Roee Rosen gelingt es, die Logik, die hierbei im Spiel ist, in letzter Konsequenz und Klarheit auszubuchstabieren und zwar als komische Oper, in der das Hohe, verkörpert durch ein Kammerorchester und ein singendes Paar, und das Niedrige: Schmutz und Körperausscheidungen, musiktheatralisch in direkten Kontakt treten. Die Anbetung eines Staubsaugers, der die Rolle des Helden einnimmt, hilft dabei mit, und ermöglicht darüber hinaus die Parallelisierung der Handlung, die sich in einem Einfamilienhaus in Israel abspielt, mit der weiteren Umgebung: der rassistischen Siedlungspolitik, der fetischisierten Technologie und der radikalen Reinhaltung des Landes von Flüchtlingen. In diesem Setting erscheint auf einmal der Schritt vom enthusiastischen Lachen über quälende Ambivalenzen zu politischem Engagement wie der naheliegendste Akt der Befreiung, auf den man peinlicherweise noch nicht gekommen ist.

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Michael Hauffen

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