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”on moons, maps and butterflies”, Katrin von Maltzahn & Ebba Matz


In einer inzwischen abgeschlossenen Phase arbeitete sich die Berliner Künstlerin Katrin von Maltzahn noch an trendigen Elementen der Internetkultur ab, und löste deren modische Überbewertung im Medium traditioneller Bildkünste eigenwillig auf. In der Folge scheint sie sich nun von derlei Bezügen zu aktuellen Codes und ihrer Anziehungskraft ganz getrennt zu haben. So setzt sie in ihrer Malerei mittlerweile bei geometrischen Grundformen an, wie sie etwa in der Architektur oder dem Stoffdesign eine maßgebliche Rolle spielen, lotet dabei aber weiterhin die Grenzen und Möglichkeiten subjektiver Autonomie aus.
Ausgehend von regelmäßigen Rastern und Kreisen, konstruiert sie abstrakte Muster, aus denen dann spielerisch Formen herausgelöst werden. Zum Teil werden die vorgezeichneten Strukturen aufgegriffen, zum Teil auch ignoriert oder gebrochen. Man könnte von einem dialogischen Prozess sprechen, der eine aus objektiver Logik entwickelte Vorgabe aufgreift, um ihr eine Wendung zu geben, die es erlaubt, subjektive Ansprüche in sie einzutragen.
Indem den Bildern, als tapezierte Wandzeichnung, ein Muster mit Kreisen derselben Radien hinterlegt wird, erscheinen zudem die geometrischen Vorgaben in den Bildern wie abgeleitet aus einem transzendenten Schema, auf dem eine stufenweise komplexer werdende Struktur aufbaut, um schließlich singuläre Figuren heraus zu kristallisieren.
Das Ausgangsmaterial einer weiteren Serie von Bildern sind mit Mustern bedruckte Stoffe, die für den afrikanischen Markt bestimmt waren. Auch hier tritt die Künstlerin in einen Dialog mit der Vorlage ein, einmal eher nachahmend und ergänzend das andere Mal eher entgegensetzend oder sogar schließlich die Vorlage komplett überdeckend. Auch hier also ein weites Spektrum an Möglichkeiten, das durch die Vorgabe nicht so sehr eingeschränkt, als vielmehr überformt wird, indem jeder Impuls zu bereits von einem Anderen vorgegebenen Bildelementen in Konkurrenz tritt.
Bei den Arbeiten von Ebba Matz fällt zunächst auf, dass sie ihre Aufmerksamkeit eher den Dunkelzonen der Erfahrungswelt zuwendet. Zentrales Motiv ihrer Präsentation ist ein Tableau mit Fotografien, das in der Ausstellung an der engsten und dunkelsten Stelle hängt. Die Aufnahmen entstanden in einem Pariser Atelier. Dort hatte sich aufgrund der Lichtverhältnisse eine Camera-Obscura-Optik ergeben, sobald die Jalousien geschlossen wurden. Nimmt man das Atelier als Metapher für das die Welt beobachtende Subjekt, dann hat sich an dieser Stelle eine Art schizophrener Kurzschluss ergeben, insofern subjektive Wahrnehmung und objektive Realität unvermittelt zusammenfallen. An die Stelle der Aneignung, der prozessualen Übertragung objektiver Gegebenheiten in eine individuelle Sicht tritt die unmittelbare Spiegelung, die sich nur noch dadurch als Abbildung bemerkbar macht, dass sie auf dem Kopf steht. Matz versucht gar nicht erst diesen doppeldeutigen Trugbildern mithilfe weiterer ästhetischer Transformation einen affirmativen Status zu verleihen. Sie belässt die im Dunkeln sich nur vage abzeichnenden Gebäudeteile, Autos und Hoffflächen in der Dunkelheit schwach belichteten Filmmaterials und deutet damit die Grenze zu einer Umnachtung des Subjekts an, in der nichts mehr Halt verspricht. Die Farbe Schwarz dominiert konsequenterweise auch ihre anderen Arbeiten. Einmal handelt es sich um horizontale Streifen von übermäßig belichtetem Fotopapier, das als Anordnung wie eine schwarze Jalousie wirkt, und ebenfalls auf die Nacht verweist, in der sich das Subjekt selbst begegnet. Zum anderen greift sie ein Element auf, das sie aus ihrer Kindheit erinnert, einen Balken, der als Riegel zur Verbarrikadierung von Türen dient, und der die Abgrenzung als Aspekt individueller Souveränität zu manifestieren scheint. Derartige Riegel werden hier, ebenfalls mit schwarzer Farbe quasi negativ hervorgehoben, zum Gegenstand der Betrachtung, die sich ihre eigenen Voraussetzungen noch einmal vergegenwärtigen will.
Ausgehend von einer derart entleerten und auf ihre elementare Abstraktheit reduzierten Position scheint Matz nun in einer weiteren Arbeit die Erzeugung neuer Formen, das kreative Produzieren selbst ins Visier zu nehmen: Sie bedient sich dazu der Technik, die wir hierzulande als Bleigießen kennen, und zwar in der Abwandlung, die in Schweden üblicher ist, und anstelle von Blei Zinn verwendet. Dabei entstehen eine tendenziell endlose Zahl von einzelnen Zufallsformen, die dann in kreisförmiger Anordnung aufgehängt den Raum bevölkern. Diese schwebenden Teppiche mit anonymen und an sich bedeutungslosen Objekten stellen eine Art monströser Auswüchse der Phantasie dar, die entstehen, wenn der Bezug zur Realität unterbrochen ist. Womöglich ist das auch ein Verweis auf die negative Erfahrung ikonoklastischer Radikalität, auf den Schrecken einer Freiheit, die keine Verbundenheit mit einem Allgemeinen anerkennen will.
Die Positionen der beiden Künstlerinnen umkreisen von komplementären Gesichtspunkten aus die Frage nach dem kreativen Subjekt, den sie weder als voraussetzungslos noch als unproblematisch begreifen. Dem Rekurs auf die Selbsterfahrung als solcher entspricht dabei die Abkopplung der Motive von einem konkreten sozialen Kontext, und die Konzentration auf abstrakte Formen und negativ begründete Impulse. Dennoch bieten sich die Arbeiten nicht als bloß dekorative Objekte an, sondern korrespondieren mit einem Diskurs, der die Konflikthaftigkeit subjektiver Welterfahrung thematisiert und dessen Unruhe nicht nur ein Kennzeichen von Kreativität, sondern auch von sozialer Verantwortung ist.

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Michael Hauffen

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