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ÜBERSETZUNGSPARADOXIEN UND MISSVERSTÄNDNISSE, Teil 3


Der Satz "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen", gesungen und inszeniert in der völlig schrägen Art, die der dänische Künstler M. A. Numminem auch in diesem Videoclip kultiviert, könnte als Epigramm der letzten Ausstellung dienen, die Katharina Schlieben und Sönke Gau in Zürich einer persönlichen und kuratorischen Selbstreflexion gewidmet haben. Denn auch wenn KuratorInnen etwas vermitteln wollen, so sind es sicher keine Lehrsätze. Und auch wenn in der Shedhalle theoretische Referenzen das Rückgrat ästhetischer Praxis gebildet haben, bestand die eigentliche Herausforderung doch immer darin, das Wissen als Mittel zur Entdeckung irregulärer und irritierender Phänomene zu nützen, die über das Erwartbare hinausweisen und Lücken in einem falschen System sichtbar machen. Doch wie kann man eine solche Intention kommunizieren?

Die moderne Vorstellung von einem universellen und linear vermittelbaren Inhalt führt da gerade nicht weiter, wie Sean Snyder verdeutlicht, indem er ganz lapidar Filmdokumente eines sowjetischen Kunstvermittlungsprogrammes zitiert, dessen Adressaten diese Belehrungen nur stumm über sich ergehen lassen. Falls sich die Kunst als Mittel verstand, um den Bann derartiger hegemonialer Diskurse zu brechen, ist sie offenbar nicht nur in Russland gründlich gescheitert. Und: Werden KuratorInnen von der Gesellschaft generell nur eingesetzt, um etwaige Potentiale der Subversion zu entschärfen?

Schlieben und Gau definieren ihre Rolle jedenfalls anders. Sie wollen kritische Positionen nicht isolieren, sondern in einen produktiven Kontext manövrieren, der ihnen Resonanz verleiht. Mit der thematischen Vorgabe des Übersetzungsproblems versuchen sie nun, genau dies nochmals zu reflektieren. Exemplarisch dafür könnte die Ausstellungsarchitektur sein, die hier als Kunstwerk und Zweckinventar zugleich auftritt. Lieven de Boeck hat mit Norm-Paletten, Holzläufen und Kartonwänden eine Art Testsituation entworfen, die zeigt, wie man viele einzelne Positionen zu einem offenen Gruppen-Körper verbinden kann, ohne dass daraus eine Festlegung resultiert, die bei Bedarf nicht wieder aufgehoben werden kann.

Differenzen und Antagonismen sollten dabei jedoch keinesfalls homogenisiert werden. Die kuratorische Arbeit erfordert dementsprechende Fähigkeiten des Umgangs mit verschiedenen Subjektpositionen und ihren Sprechweisen. Als eine Art Vorübung dazu führten Szuper Gallery zusammen mit angehenden KuratorInnen das Videoprojekt „Curatorial Vaudeville” durch, in dem bekannte Charaktere des Kunstdiskurses in die Sprache des Vorstadttheaters transferiert werden. In (selbst-)ironischer Dekonstruktion können Fixierungen aufgelöst und der Weg zu einem reflexiven Umgang mit problematischen Rollenzuschreibungen gebahnt werden. Analoges gilt für die Künstlerinnen-Rolle, wie Barbara Visser ex negativo verdeutlicht: Sie bestreikt das Modell der Authentizität, indem sie ihre Rolle von anderen aufführen lässt, selbst aber unsichtbar im Hintergrund anwesend bleibt und per Funkverbindung den Text souffliert. Auch Stefan Römers Kritik an einem Kunstsystem, das auf immer subtilere Art verschiedene soziale Widerstandspotentiale dem Konsumismus einverleibt, wird ästhetisch gebrochen: Die Auseinandersetzung findet in der kühlen Umgebung unwirtlicher Bauruinen statt und wird von verschiedenen Sprechern als aggressive Prosa in modischer Stilisierung vorgetragen. Der performative Charakter der sozialen Muster, die bei all den hier verhandelten Strukturen im Spiel sind, scheint also vor allem theatralische Mittel zu provozieren, und es überrascht daher kaum, wenn man es beinahe mit einer reinen Video-Ausstellung zu tun hat.
Für den kunst-externen Bereich steuert Saskia Holmquist Kurzfilme bei, die ein Einstellungsgespräch und die professionell geleitete Diskussion eines Ehekonflikts inszenieren, wobei minimale Übertreibungen und Zuspitzungen das Prekäre aufdecken, das sich hinter einfachen Regeln und plausiblen Statements verbirgt. Kommunikation basiert hier auf einem rein funktionalen Begriff, der effektiv kontrollieren und regulieren will. Vor einem derartigen kommunikativen Terror meinen viele soziale Akteure in die Nicht-Kommunikation fliehen zu können, und genau ein solches Verhalten stellt Joseph Dabernig in „Hotel Roccalba” nach: Die Bewohner vertreiben sich die Zeit mit Nichtigkeiten und gehen jeder Auseinandersetzung aus dem Weg. Zusammenhalt bieten allein das Gebäude sowie ein permanent laufender Radiosender mit Sportnachrichten: die Leere wird als kleineres Übel akzeptiert.
Gemeinsam ist allen TeilnehmerInnen der Ausstellung die Weigerung, den Regeln der Mainstream-Kultur zu gehorchen, in der die Anerkennung des Anderen durch konsumierbare Objekte ersetzt wird. Paradoxien und Missverständnisse hinter glatten Fassaden zu entdecken mag demgegenüber anstrengend sein, es kann aber auch zu wesentlich produktiveren und angeregteren Zuständen führen. Und das ist Schlieben und Gau immer wieder gelungen.

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Michael Hauffen

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