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On War and Love - Fouad Elkoury


Mit den Spuren von Krieg und Zerstörung konfrontiert zu sein, ist für Fouad Elkoury, einen Sohn libanesischer Eltern, eine allzu vertraute Situation. Im Medium der Fotografie hat er offenbar schon seit vielen Jahren eine Möglichkeit entdeckt, dem unerbittlichen Druck einer Umgebung, in der sich das Konfliktpotential fortgeschrittener Globalisierung zu konzentrieren scheint, auszuweichen und in eine von Melancholie und Eros bestimmte Welt zu entfliehen. Seine bis vor kurzem ausschließlich in Schwarz-Weiß gehaltenen Aufnahmen wechseln zwischen alltäglichen Szenerien, monumentalen Kulissen, und Dokumenten kriegerischer Zerstörung, die als eine Art nihilistisches Bekenntnis gelesen werden können, insofern sie immer wieder das Ruinenhafte oder die Spuren des Verfalls betonen, was durch häufige Andeutungen erotischer Phantasie noch verstärkt wird. Die im Nahen Osten entstandenen Arbeiten vermitteln ein einigermaßen ungewohntes Bild der arabischen Welt, das weder dem Klischee medienwirksamen Elends noch dem einer exotischen Idylle verfällt. Ebensosehr verzichten sie aber auch auf ein ausdrückliches politisches Engagement, das über die direkte Dokumentation mit kriegerischer Zerstörung hinausginge – ein offenbarer Widerspruch zu der biografischen Tatsache, dass der Fotograf 1982 den PLO-Chef Jassir Arafat auf seiner Flucht von Beirut nach Tunesien begleitete.
In jüngerer Zeit hat Elkoury aus dem Wunsch heraus, Abstand zur Dauerkrise seiner Heimat zu finden, eine Reihe von Reisen, unter anderem auch nach Berlin, unternommen, und dabei seinen künstlerischen Stil zu modifizieren begonnen. Neben Aufnahmen in Farbe finden sich nun immer häufiger Montagen und in die Motive geschriebene Texte, die schließlich zu Serien von drehbuchartig erzählten Geschichten und zu kurzen Filmen geführt haben. Bei der Serie „On War and Love” handelt es sich um ein fotografiertes Tagebuch, das den Zeitraum vom 13. Juli bis zum 14. August 2006 abdeckt, jene viereinhalb Wochen also, in denen Beirut ohne triftigen Grund von Israel bombardiert wurde. Jeder dieser Tage wird durch jeweils eine Arbeit repräsentiert, die aus fotografischem Material und kommentierenden Texten besteht.
Der Versuch innerhalb des Mediums der Fotografie zu verbleiben, bedeutet für die Texte, dass sie zumeist als handgeschriebene Notizen Bestandteil der aufgenommenen Szenen sind. Neben Zetteln schreibt Elkoury auf Spiegel, einen Kuchen, den Rücken einer Frau und auf seine Fotos, die er dann wieder abfotografiert. In Verbindung mit der häufigen Reduktion des Sujets auf kleinere Gegenstände und intime Perspektiven werden die Sätze zu persönlichen Botschaften, die den Weg zu ihrem Adressaten noch nicht gefunden haben, so dass sich der Betrachter der Bilder direkt angesprochen fühlen kann. Auch die Rückseite einer Postkarte und der auf ihr befindliche Text, der die aktuellen Drohungen Israels kommentiert und mit der kurzen Beschreibung einer Flucht im Taxi kombiniert, macht da keine Ausnahme, denn das Adressenfeld bleibt leer.
Aufgrund solcher Details und der stark verdichteten Texte, die den Kriegszustand immer wieder ansprechen, dann aber auf die Ebene subjektiver Befindlichkeit wechseln, die ebenfalls nur in knappen Worten geschildert wird, nähert sich die Aussageform der des inneren Monologs an, und erinnert an französische Filme aus der Zeit der Nouvelle Vague. Mit dem Kriegsgeschehen konkurriert in der Erzählung zudem das drohende Ende einer Liebesbeziehung. Beide Traumata stürzen den Erzähler in eine Krise, wobei er auf die erste und vermutlich größere zunächst mit seiner Flucht nach Istanbul reagiert. Die jüngsten Hoffnungen seines Heimatlandes zunichte gehen zu sehen, kann das allerdings nur in eine zweifelhafte Distanz rücken. Und dass ihn dort die Geliebte verlassen will, stellt zudem eine Wiederholung derselben Qualität seelischer Erfahrung dar. Aber vielleicht dient gerade diese Verdopplung auch als Mittel der Kompensation, weil es den Schritt zur Identifikation mit dem Medium der Kunst und ihrem melancholischen Nicht-Objekt umso notwendiger erscheinen lässt. Jedenfalls weisen beide Traumata auf die fundamentalen Empfindlichkeiten menschlicher Existenz, auf deren prekäre Bedingungen, und auf die Unmöglichkeit, diesen auf der Ebene individualisierter Subjektivität allein mit moralischen Prinzipien oder pauschalen Rezepten zu begegnen.
Immerhin ist die Figur der Geliebten zum Gespräch und zu einem weiteren Zusammensein bereit, und unterstützt damit die Wiederherstellung eines gewissen Zutrauens in die Realität. Das kann man vom anderen Teil der Geschichte nicht behaupten. In Bezug auf den Krieg bleibt es bei der bloßen Wiedergabe von Fakten, die die Eckpunkte des bekannten Geschehens markieren und die Fassungslosigkeit ihm gegenüber nicht relativieren wollen. Letztlich scheint Elkoury allerdings ein happy ending auch nicht für die geeignete Antwort auf die Herausforderungen unserer Existenz zu halten. Ein Dostoijewski-Zitat demonstriert seinen Zweifel an der moralischen Integrität unserer kulturellen Grundlagen, die für ihn als französisch und christlich-maronitisch geprägten Libanesen von unserer westeuropäischen übrigens nicht allzu verschieden sein dürften. Wie er an einer anderen Stelle formuliert, glaubt er aber, dass sich diese Kultur ohnehin bald selbst auslöschen wird, was die Anstrengungen Einzelner hinfällig werden ließe. Immerhin bleibt aber die Frage offen, ob die Kunst unter solch prekären Umständen nicht zu besonderer Bedeutung kommen könnte – und wenn das eine Wette ist, dann hat Elkoury seinen Einsatz bereits im Voraus geleistet.

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Michael Hauffen

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