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Making Things Public


Angesichts der Zuspitzungen und Herausforderungen heutiger Politik scheinen die gewohnten Bemühungen um Lösungen immer weniger zu versprechen. Making Things Public unternimmt daher den gewagten Versuch, alternative Konzepte kollektiver Repräsentation zu dokumentieren und zu entwickeln. Einen zentralen Ausgangspunkt bildet dabei die frühmoderne Strategie eines Thomas Hobbes, die schon damals in der Zusammenführung von Künsten und Wissenschaften das Mittel sah, um dem politischen System eine geeignete Form zu geben.

Ähnlich wie bei „Iconoclash”, dem ersten großen Ausstellungsprojekt, das das ZKM zusammen mit Bruno Latour produzierte, wurden hier wieder über hundert Künstlern und Theoretikern eingeladen, um einen technisch hochgradig perfektionierten Erfahrungsraum zu schaffen, der im Publikum ein erweitertes Bewusstsein seiner Grenzen und Möglichkeiten freisetzen soll.
Diese Wirkung ist jedoch auch auf seiten des Besuchers nicht voraussetzungslos. Sie erfordert neben einem guten Basiswissen intensive Lektüre der begleitenden Texte und ein zeitintensives Sich-Einlassen auf eine Vielfalt von Studien, Materialien und Informationstechniken. Von da aus scheint es dann allerdings umso leichter zu fallen, die herrschenden Vorstellungen des politisch Machbaren als unglückliche und defizitäre Version dessen, was nicht nur möglich, sondern bereits verfügbar wäre, zu relativieren, und sich für alternative Vorgehensweisen zu begeistern.
Die Vielfalt der Perspektiven und der Einfallsreichtum bei der Umsetzung vermitteln den Eindruck, ständig neue Entdeckungen machen zu können, und sie scheint zudem bereits eine andere Form von politischer Praxis zu repräsentieren. Die Gruppe der hier versammelten Künstler, Wissenschaftler und Techniker, stellt ein heterogenes Netzwerk von Erfahrungen und Strategien dar, das der verbreiteten Angst vor Komplexität den Wind aus den Segeln nimmt. Zwar ist hier nicht alles so einfach, wie in der Bibel oder im Fernsehen, dafür zeigt sich aber, dass für auftauchende Probleme ständig neue Lösungen gefunden werden, die in ihrem Bereich vermutlich auch funktionieren, und kommuniziert werden können, ohne von einer zentralen Machtinstanz abgesegnet zu werden.
Die Auswahl der beteiligten Künstler oder Wissenschaftler ist dabei zwangsläufig kontingent, wichtig ist daher vor allem die Breite des Spektrums. Es reicht von Lucas Cranach d. J. bis Felix Stephan Huber oder von Peter Sloterdijk bis Thomas Locher, um nur ein paar bekanntere Namen zu nennen.
Sloterdijks Beitrag, der Plan für ein aufblasbares Parlament, das per Hubschrauber über „barbarischen” Staaten gefahrlos abgeworfen werden könnte, um dort die Einführung der Demokratie zu ermöglichen, steht dann etwa visuellen Analysen real existierender Parlamentsarchitekturen gegenüber. Und von der Dokumentation verschiedener mehr oder weniger erfolgreich erprobter Ausgestaltungen politischer Repräsentation ergibt sich ein direkter Übergang zu experimentellen Formen.
Einen der Höhepunkte dürfte ein rechnergesteuertes Environment bilden, das mit über den gesamten Ausstellungsraum verteilten Displays, Scheinwerfern und Geräuschen versucht, das „Phantom” des öffentlichen Raumes zu inszenieren. Ein solches würde sich in der Realität aus unbeabsichtigten und unvorhergesehenen Handlungen der am sozialen Geschehen Beteiligten ergeben. Analog dazu lösen hier die Besucher durch ihre Bewegung im Ausstellungsraum Phänomene aus, die sie überraschen, und die zudem oftmals nur schwer auf ihre Ursachen zurückzuführen sind.
Das ist unheimlich und anregend zugleich und illustriert bestens ein politisches Denken und Konstruieren, das sich auf der Höhe der Medientheorie befindet. Vielleicht erklärt das auch den vorsichtig optimistischen Charakter des Projekts insgesamt. Denn die Grundlage für seine Stärke ist weder der intendierte Konsens der Beteiligten, noch ein Zweifel daran, dass die hier verhandelten Probleme gravierend oder akut wären. Sie dürfte vielmehr in der Gewissheit liegen, dass die Weltgesellschaft wesentlich vielfältiger und reicher an Alternativen ist, als es die Scheuklappen der Normalität wahrzunehmen erlauben. Unsicherheit herrscht allerdings hier wie dort. Und deshalb dürfte letztlich ins Gewicht fallen, dass heute mit den neuen Technologien und Medien nicht nur neue Problemquellen, sondern auch neue Mittel für unerwartete Lösungen vorliegen. Ob das nur ein vages Versprechen bedeutet, lässt sich jedenfalls sicherlich nirgends besser überprüfen, als in dieser Ausstellung.

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Michael Hauffen

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